Mittwoch, 27. Oktober 2010

Abgeschlossen!!!

Himmel, hab ich mir Gedanken gemacht über diese Hochzeit und die ganzen Umstände, die sie mit sich bringt! Nächtelang hab ich mich im Traum mit meinem Ex gefetzt und gestritten, überall Angriffe und Bedrohungen gesehen. Plötzlich kam alles wieder hoch, was jahrelang vergraben war: auch nach 22 Jahren ist das beherrschende Gefühl immer noch Groll und Wut, Vorwürfe stehen im Raum und Selbstbeschimpfungen darüber, so viele Jahre verschwendet zu haben, gehören ebenso dazu.

Ich weiß, dass ich zu der Hochzeit von meinem Sohn will, dass ich dabei aber mal wieder meinem Ex gegenüber treten muss, stört mich doch gewaltig.

Und dann ist es soweit: Liebling und ich sitzen schon in der Kirche, als die Tür aufgeht. Ich drehe mich um und flüstere dann: "Mein Ex kommt." Langsam kommt er mit seiner Partnerin den Gang vor gegangen. Kompakt ist er geworden und alt - aber das Gleiche gilt natürlich auch für mich. Immerhin haben wir uns mehr als 12 Jahre gar nicht gesehen und da auch nur für ein paar Minuten. Als ich ihn von hinten betrachte, denke ich noch, dass er seinem Vater immer ähnlicher wird. Dann höre ich ihn mit den Eltern der Braut reden - das ist eine fremde Stimme, ein fremder Slang. Ich flüstere Liebling zu: "Ich glaub, das ist er doch nicht. Er sieht so anders aus und außerdem hat er eine ganz andere Stimme."

Seine Partnerin schaut sich um, wo denn noch Platz frei wäre und deutet auf unsere Bank. Der fremde Mann nickt. Erst läuft sie an uns vorbei, dann kommt er. Unsicher hebe ich die Hand, um ihn zu begrüßen, da schaut er mich an - und wieder weg. Man kennt den Blick, ob jemand einen nicht kennen will oder wirklich nicht erkennt. Und dieser Mann kennt mich wirklich nicht, also lasse ich meine Hand wieder sinken. Er setzt sich neben Liebling und ich schaue immer wieder verstohlen zu ihm hin. Die Augenfarbe stimmt, auch wenn sie etwas mehr hinter den dickeren Wangen verschwinden und früher keine Brille gebraucht haben, die Haarfarbe passt auch, wenn sie auch etwas schütter geworden sind. Ansonsten ist mir dieser Mann fremd und er wäre mir, würde ich ihm heute auf der Straße begegnen, keinen zweiten Blick wert. Die Situation ist so skurril, dass ich einen Lachkrampf bekomme. Liebling be"pssst" mich die ganze Zeit und versucht mich zu beruhigen, doch mir laufen die Tränen herunter und ich bekomm fast keine Luft mehr: Da war man 17 Jahre miteinander verheiratet und nun kennt man sich nicht mehr! Ich fall vor unterdrücktem Lachen beinahe aus der Bank!

Nach der Trauung – ich habe gerade das Brautpaar beglückwünscht – stupst mir jemand auf die Schultern. Mein Ex steht vor mir und meint: „Ich glaube, wir können uns auch gegenseitig zu unserem Sohn gratulieren.“ Ich muss ihm Recht geben und begrüße ihn, während ich mir ein Grinsen nicht verkneifen kann.

Beim Sektempfang stellt er uns seine Partnerin vor – eine wirklich nette Frau. Interessant ist, dass wir beide nun bei unserem Typ gelandet sind: Dunkle Haare und dunkle Augen - wir entsprachen beide gegenseitig nie dem, was unser Traumtyp ist. Ein richtig nettes Gespräch entspannt sich, das sogar über Small-talk hinausgeht. Dabei erfahre ich auch, dass er mich wirklich nicht erkannt hat und erst als er an mir vorbei war – wie in einem schlechten Slapstickfilm – registriert hat, wen er da vor sich hat. Seiner Partnerin hat er dann zugeflüstert: „Weiß du eigentlich, neben wem wir sitzen? Ich glaube, das ist meine Exfrau.“ Auch das mit der Stimme wurde aufgeklärt: Anscheinend mussten ihm vor ein paar Jahren die Stimmbänder abgehobelt werden, was seine Stimmlage total verändert und viel zerstört hat.

Im Laufe des Abends entdecke ich bei dem mir inzwischen so fremden Mann Gesten, Bewegungen, Ausdrücke und Verhaltensweisen, die mir unglaublich vertraut sind. Und plötzlich löst sich alles auf, die Geschichte wird rund und ich kann sie einfach davon rollen lassen: aller Groll verschwindet und die (Selbst-)Vorwürfe lösen sich in Luft auf. Ich habe nie vergessen, warum ich mich getrennt habe, plötzlich weiß ich aber auch wieder, warum ich mich damals in diesen Mann verliebt habe und mit ihm zusammen war. Es hat nicht funktioniert, aber es waren keine verlorenen oder überflüssigen Jahre. Ich kann mir plötzlich selber vergeben. Und außerdem: zumindest 3 Dinge haben wir wunderbar zusammen hin gebracht – unsere Kinder!

Und so wird aus einer Art Lord Voldemort, dessen Name nicht genannt werden darf, plötzlich einfach ein alter Bekannter. Es wird in Zukunft so sein, dass man sich freut, wenn man sich sieht. Man vermisst aber auch nichts, wenn dem nicht so ist…

btw: habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich froh bin, dass ich Liebling habe???!
 

7 Kommentare:

  1. ... und immer kommt alles so wie es kommen soll! Es freut mich sehr, dass ihr nun an diesem Punkt seid und ich bin sicher, niemand wird im Moment glücklicher sein als unsere Lieblingstochter/-nichte, da sie nun völlig entspannt ihre Hochzeit planen kann und beide Elternteile gemeinesam am Tisch haben wird. Vor allem Elternteile, die wieder miteinander reden.

    SCHÖN!!
    Drück dich, hdl
    P.S. wir sind auch froh, Liebling zu haben *lach*

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  2. Ich war mit meinem ersten Mann auch 10 jahre verheiratet, zum Glück haben wir beide den Groll schon nach kurzer Zeit abgelegt und sind seither gute Fraunde und das auch schon wieder 10 Jahre lang. Und auf unsere gemeinsame Tochter sind wir genau so stolz.

    LG Shoushou

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  3. Hach, ein schöner Eintrag Michaela! So ein Annehmen und trotzdem ein bewusstes Hintersichlassen tut enorm gut. Wie Meiner gerne sagt: "Alles richtig gemacht!" Und drück mal "Liebling" von mir! :)

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  4. Schön! Ich freu mich wirklich für dich! :)

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  5. @all Ich fühl mich plötzlich unheimlich erleihtert und irgenwie aufgeräumt. Vor allem habe ich die ganzen Jahre noch nicht mal realisiert, dass da so was noch nagt...
    *g* das sind gefühlte 5 Kilo bei meinem Projekt Bikinifigur!
    LG

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  6. find ich schön, dass dein groll sich in luft aufgelöst hat :-)
    ich hab meinen ex schon jahrzehnte nicht mehr gesehen, keine ahnung, ob ich ihn noch erkennen würde...

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