Freitag, 7. August 2009

Leben und Tod - dicht beieinander

Schön! Wieder ein junger Mensch transplantiert! Und sogar ohne 8 – 10jährige Wartezeit!

Ich hoffe und wünsche ganz fest, dass diese Niere ihre Arbeit unverzüglich aufnimmt und ganz lange hält.

Leider ist dies nicht selbstverständlich, obwohl die Überlebensraten transplantierter Organe bei entsprechender Compliance der Empfänger enorm gestiegen sind. Waren früher 10 Jahre eine Seltenheit, sind heute 15 Jahre schon Durchschnitt. Die medikamentöse Versorgung hat sich verbessert, die OP – Technik ebenso und die extrakorporale Verweildauer der Organe zwischen Entnahme und OP sich verkürzt.

Für die Menschen, die auf eine Spenderniere warten, kann die Zeit ganz schön lange werden. 3 mal wöchentlich 4 – 6 Stunden Dialyse im Zentrum oder zu Hause oder bei der Bauchfelldialyse 4 mal am Tag einen 30 minütigen Beutelwechsel – das ist sehr viel Lebenszeit und damit Lebensqualität, die verloren geht.

Die Ernährung muss umgestellt werden, darf nicht zuviel Kalium und/oder Phosphor enthalten, das Herz und die Knochen danken es. Der Kampf gegen den Durst, sprich den Verzicht auf zuviel Flüssigkeitsaufnahme, kennen sie alle. Viele verlieren ihn – und müssen es mit anstrengenden, von Krämpfen und Blutdruckabfällen begleiteten Dialysen büßen. Die tägliche Medikamentendosis kann von der Menge her eine ganze Mahlzeit ersetzen - notwendiges Übel.

Der Zugang, ob Shunt oder Katheter, muss pfleglich behandelt und geschont werden – er ist die Lebensversicherung der Patienten.

Spontane Reisen sind auch nicht möglich – immer muss erst ein Dialyseplatz am Urlaubsort organisiert werden, was in den Sommermonaten auch nicht immer ganz einfach ist.

Leider ist die Organspendemoral unserer Bevölkerung sehr niedrig, insbesondere da wir hier in Deutschland die Einwilligungs- und nicht wie in anderen Ländern die Widerspruchsregelung haben. In anderen Ländern ist jeder ein potenzieller Spender, außer er widerspricht explizit. Dadurch ist Deutschland in der Transplantationsrate auf dem hintersten Platz mit den längsten Wartezeiten.

Ich freue mich für jeden, der die Chance für einen Neuanfang durch eine neue Niere oder auch eine anderes Organ erhält.

Ich vergesse allerdings dabei auch nicht, dass irgendwo ein anderer Mensch dafür gestorben ist. Dass Frauen und Männer um ihre Partner weinen, Eltern um ihre Kinder und Kinder um ihre Eltern. Des einen Freud, des anderen Leid.

Trotz allem trage ich immer einen Organspendeausweis mit mir herum – bis zu 9 Menschen können damit ihre Lebensqualität auf ein ganz anderes Niveau stellen.



6 Kommentare:

  1. Ich bin bei dem Thema immer hin und her gerissen. Auf der einen Seite würde ich ja auch gerne so einen Spenderausweis bei mir tragen, auf der anderen Seite habe ich Schiss, dass man nicht alles versucht um mein Leben zu retten, weil da ja schon so viele Leute auf meine Organe lauern. Ich weiß, dass das wahrscheinlich Quatsch ist, aber ich werde mit dem Gatten absprechen, dass er diese Entscheidung im Notfall treffen muss. Kann man mir wirklich nicht mehr helfen, dann soll er meine Organe freigeben. Nur nicht die Augen, aber sonst können die mich dann ruhig ausnehmen wie eine Weihnachtsgans. So war ich dann nicht umsonst auf dieser Welt.

    AntwortenLöschen
  2. Das Problem haben viele - nicht nur unsere Gesetzgebung, sondern auch die Aufklärung ist da sehr mangelhaft.

    Bevor Organe entnommen werden, müssen erst 3 voneinder unabhängige Arzte den Hirntod bescheinigen und zwar durch EEG. Erst wenn dort dreimal hintereinander eine Nulllinie vorliegt, kann der Mensch für tot erklärt werden.

    AntwortenLöschen
  3. dass ich an diesem freitag noch heulen werde, war mir bis vorhin nicht bewußt. ist aber nicht schlimm. mein dad ist letztes jahr verstorben durch einen diabetischen schock, verursacht durch eine blutvergiftung, die durch seinen entzündeten diabetikerfuß entstanden ist. die vielen medis hat er nicht verkraftet, die nieren haben versagt. zwei tage vor seinem ersten dialyse-termin. fuck.

    AntwortenLöschen
  4. ich bin FÜR organspende, habe auch einen ausweis. neulich habe ich das hier [inkl. kommentare] gelesen und kann jetzt zumindest die andere seite ein bißchen verstehen....

    AntwortenLöschen
  5. @pssst: Dass das mit deinem Papa so unglücklich gelaufen ist, tut mir von Herzen leid. Ob ein früherer Dialysebeginn das verhindert hätte, weiß man nicht.

    @rebhuhn Da ich schon seit 26 Jahren mit und am nierenkranken Menschen arbeite, weiß ich auch, wie schwer es für viele ist, diese Form des Überlebens an zunehmen. Letztendlich ist es gut, dass es diese Behandlungsmethode gibt. Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn war die Dialyse noch ganz exotisch in der Versuchsphase. Heute ist es ein gängiges Verfahren - für die einen, um damit zu leben (wir haben Patienten, die schon 30 Jahre dialysieren), für die anderen eine Interimslösung bis zur Transplantation.

    Zwischenzeitlich machen die Nierenlebendspenden einen größeren Anteil als die letale Variante aus. Schon seit meine Tochter 7 Jahre alt sit, weiß ich, dass mit ihren Nieren etwas nicht stimmt - seither bin ich darauf vorbereitet, im Falle eines Falles, ihr eine Niere zu spenden.

    Gut, zugegeben, dass ist noch mal ein ganz anderer Gesichtspunkt als eine Organspende eines Verstorbenen. Dass viel Leute hier Berührungs- und andere Ängste haben, kann ich nachvollziehen. Mit intensiverer Aufklärung würde aber sicher ganz viel davon wegbrechen.

    Ich habe gerade den Post mit Kommentaren von Lakritze gelesen. Einiges, was sie schreibt, stimmt so nicht. Natürlich darf der Empfänger erfahren, woher seine Niere kommt - und viele unserer Patienten wissen es auch. Genauso viele wollen es aber gar nicht wissen - um sich dem vielleicht jungen Spender gegenüber nicht schuldig zu fühlen.

    „…ohne dass deshalb die Herz-Kreislaufaktivität völlig erloschen sein muss.“

    Damit haben die meisten Leute ihre Probleme. Ihnen ist nur nicht klar, dass dieses Herz künstlich am Schlagen erhalten wird, bis die die EEG Messungen abgechlossen sind. Nur ein Organ aus einem funktionierenden Kreislauf und einer Sauerstoffversorgung kann transplantiert werden. Ohne Herzschlag sterben sie ab. Deswegen ist der Mensch trotzdem schon tot - er wird nur bis nach der Organentnahme künstlich am Leben erhalten.

    Schwieriges, komplexes Thema - ich weiß. Hier muss sich wirklich jeder sein eigenes Bild machen.

    AntwortenLöschen
  6. doch, hätte es. zuerst jedoch hätte man den fuß amputieren sollen. aber die ärzte haben experimentiert und schwanzvergleich gemacht, wer es denn wieder "hin" bekommt. naja, jetzt muss er nicht mehr leiden, sein letztes lebensjahr war die hölle!

    AntwortenLöschen