Freitag, 15. Mai 2009

Streik - Arme Kinder!

„Streiks: Kindergärten schließen.

Tausende Eltern müssen sich in den nächsten Tagen andere Betreuer für ihre Kinder suchen – viele Kindergärten und Kitas bleiben wegen Streik geschlossen. …Die Gewerkschaft hat es abgelehnt, eine Notdienstvereinbarung abzuschließen. Damit wäre man in der Lage gewesen, Eltern ein verlässliches Angebot für die Betreuung in Notfällen machen können.“
Quelle: Schwäbische Zeitung

Ich bin fassungslos! Jede Sparte bzw. jeder Berufszweig fühlt sich heute, objektiv oder subjektiv, unterbezahlt. Wenn ich mit meinem Anliegen damit an die Öffentlichkeit gehe, in Ordnung. Wenn ich „nur“ volkswirtschaftlichen Schaden mit einem Streik anrichte, auch noch ok. Ich kann mal von Bus oder Bahn aufs Auto umsteigen. Ich kann auch mal meinen Haarschnitt hinauszögern oder auf ein Ersatzteil warten. Wenn ich aber in einem Dienstleistungsgewerbe beschäftigt bin, in dem andere Menschen von mir abhängen, auf mich angewiesen sind, kann ich nicht streiken! Ich bin 38 Jahre auf Station gewesen, aber auch wenn die Krankenpflege noch so unterbezahlt war und ist – ich wäre nie auf die Idee gekommen, streikmässig die Arbeit niederzulegen, da am Ende der Patient steht, der Betreuung und Pflege braucht und am allerwenigsten dafür kann!

Genauso sieht es mit den ErzieherInnen aus: Sicher sind sie überfordert und unterbezahlt – nochmals, wer ist das nicht! – aber von ihnen hängen die Kinder und damit ihre Eltern, vorzugsweise alleinerziehende Mütter, ab. Nach dem neuen Unterhaltsrecht müssen diese Mütter, kaum dass ihre Sprösslinge 3 Jahre alt geworden sind, ihren Lebensunterhalt allein verdienen. Schwierig genug schon, einen den Kitazeiten angepassten Job und Chef zu finden, stehen diese Mütter nun da und setzen diesen Job aufs Spiel, da gestreikt wird und die Kinder noch nicht einmal notfallmässig betreut werden. Suchen sie sich anderweitig eine Betreuung, kommen noch zusätzliche Kosten auf sie zu.

Wenn ich die Verantwortung eines solchen Berufes nicht tragen will, darf ich diese Ausbildung gar nicht erst machen! Werteübermittlung erwarte ich auch schon im Kindergarten.

Ich finde es schon schlimm genug, dass die Kindergärten während der Brückentage und Schulferien geschlossen sind – wie viele Mütter können in der Zeit auch Urlaub nehmen? Da gibt es keine abgespeckten Betreuungszeiten für diese Kinder/Mütter. Viele Eltern können auch nicht auf Oma/Opa oder andere hilfsbereite Geister zurückgreifen. Wer fragt nach der Überforderung und Nichtbezahlung des Berufs Eltern? Das Privileg, einen finanziell gesicherten Background zu haben, um zu Hause bleiben zu können, haben die wenigsten!

Muss man den Wunsch nach besserer Bezahlung wirklich auf dem Rücken des Schwächsten, nämlich des Kindes, austragen? Und das ausgerechnet heute am Familientag. Welche Ironie!

2 Kommentare:

  1. Hallo!
    Ein paar Anmerkungen. Bei Streiks darf kein Schaden an Personen oder Sachen entstehen - das betrifft Patientenpflege genauso wie Betreuung von Klein(st)kindern.

    Viele Kitas haben Notdienste eingerichtet und die Streiks betreffen nicht die kirchlichen Einrichtungen oder Einrichtungen freier Träger.

    Die Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen allgemein haben sich in den letzten 5 Jahren verschlechtert durch geänderte Gesetze, andere Tarife und gestiegener Anforderungen. Die welche den Beruf also schon länger machen, sind die Gelackmeierten? und sollen sich an Berufszweigen orientieren denen es noch schlechter geht?

    Wo bleibt eigentlich die Verantwortung von Eltern? Hätten die nicht auch vorher wissen müssen, dass Kinder Zeit, Geld und Nerven kosten und dass es vielleicht Situationen gibt, in denen man Kinder nicht fremdbetreuen lassen kann?

    Zum Beispiel in den 12 Wochen Schulferien? Bei Krankheiten ? etc.

    Ein Glück sind die jungen Leute von heut nicht so blöd und immer weniger lassen sich zur Erzieherin ausbilden. Das mein' ich jetzt ernst! Zumindest unter den derzeitigen Bedingungen, wo zum Beispiel 2-Jährige in 25-er-Gruppen von morgens bis abends überleben müssen, kann man den Beruf nicht guten Gewissens empfehlen. Aber viele Worte müssen wir da gar nicht machen. Es reicht ein 1-wöchiges Praktikum und schon sind verklärte Vorstellungen vom "Mit-Kindern-spielen-vorlesen-basteln" beseitigt.

    Beispiel Kitabereich Personalschlüssel:
    25 Kinder davon bis zu 6 Kinder ab 2 Jahren bei 1,75 Erzieherinnen + einer 15-Stundenkraft bei einer durchgehenden Öffnungszeit von 7.00 bis 16.30
    und wenn dann die Ganztagskraft Urlaub hat oder krank ist oder auf einer Fortbildung ist oder ein Elterngespräch ansteht?
    Und wenn die Kinder gewickelt werden, fehlt bei 6 Kindern und einem Zeitbedraf pro Kind von 7 Minuten (incl. Holen aus der Gruppe und wieder Hinbringen) eine Kraft 45 Minuten in der Gruppe, nichtberechnet die Zeit die zum Desinfizieren zwischendrin gebraucht wird.

    Und ja - viele Eltern sind heutzutage überfordert - mit ihrem Job, ihren Kindern, dem Fehlen von Opas und Omas (die auch arbeiten)und alles beeinflusst sich gegenseitig. Aber sollten dann Diejenigen, die dann Familie immer öfter ersetzen (müssen), statt wie früher ergänzen, nicht auch die Chance haben, dies unter Bedingungen tun zu dürfen, die ein Berufsleben jenseits der 40 noch erlauben?

    Und sind verbesserte Bedingungen, wie kleinere Gruppen, mehr Personal, motivierte, nichtgestresste Erzieherinnen nicht auch verbesserte Bedingungen für die Kinder? Denkt eigentlich jemand an die?

    LG Erzieherin

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  2. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich weiß, dass ErzieherInnen für das, was sie lesiten müssen, unterbezahlt sind. Ich weiß auch, dass es nicht nachvollziehbar ist, wenn die 2jährigen morgens schon mit verschissenen Windeln abgeliefert werden, in dem Bewusstsein, dass den Betreuern nichts anderes über bleibt, als die Sch... zu beseitigen.
    Ich denke, jeder hat für seinen Berufszweig Paradebeispiele, warum es schiefläuft und warum er deshalb mehr Geld will. Das kann ich aber auch mit Beharrlichkeit und guten Argumenten durchsetzen - deswegen muss ich nicht Kinder auf der Straße stehen lassen oder alleinerziehende Mütter um ihren Job bringen. Den verlieren sie nämlich unweigerlich, da sie sich Unflexibilität vorwerfen lassen müssen, da sie nicht wissen, wohin mit ihren Kindern.
    Anspruchsdurchsetzungen auf dem Rücken der Schwächsten find ich einfach sch... Und nein: Notdienstvereinbarungen wurden abgelehnt, die wenigsten Kitas bieten Notdienste an (s. Artikel)
    Noch etwas: Mein Blog ist zum lesen da und ich feu mich auch über jeden Kommentar. Ich freu mich nur nicht, wenn dieser anonym abgegeben wird. Ich vertrete miene Meinung auch mit Namen...

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